RÜCKSCHAU UA ‚MANTEL‘ Lisa Streich

„In MANTEL geht es um Hüllen, zwei Sorten von Schutzhüllen. Zum einen können sie schützend wirken vor Wetter und Klima, zum anderen können sie den eigenen Korpus für die Mitmenschen schützen – den Körper verdecken oder das Innere verhüllen.“ (Lisa Streich, interviewt von Marcus A. Woelfle, dem Programmheft entnommen)

Und so war in Lisa Streichs Werk für das Münchner Kammerorchester das Schlagwerk die Umhüllung der übrigen Musiker*innen – links außen und rechts außen standen Trommelwerk, Schlagwerk und Vibraphon sowie kleine Beiwerke wie ein Eierschneider für die ’special effects‘.

„Ich versuche, die Hülle, die dort liegt, als solche ins Exzessive zu treiben, alle ihre Möglichkeiten nachzufühlen. Die Haut alleine hörbar zu machen und mich nur um die Hülle selbst zu kümmern und die Unvollkommenheit schätzen zu lernen.“ (Lisa Streich, interviewt von Marcus A. Woelfle)

Lisa Streich liebt es, nachzuverfolgen, was an früheren Tagen geschah. Am Tag der UA von MANTEL wurde vor genau 100 Jahren Giacomo Puccinis Il tabarro (Der Mantel) in New York uraufgeführt.

Das Prinzregententheater war an jenem Abend ausverkauft, viele Menschen waren auch gekommen, um die Einführung in den Konzertabend von Dr. Meret Forster zu erleben, in der sie auch Lisa Streich interviewte. Nach Igor Strawinskys Pulcinella-Suite und Richard Strauss‘ Konzert für Oboe und Orchester D-Dur op. 144 mit Solo von François Leleux ging es in andere Gefilde:

„Lisa Streich bewegt sich vor allem am Rand des ‚Kaum-Hörbaren‘, arbeitet mit feinen Clustern im Vierteltonbereich, exakt notiert, gegeneinander verschoben und überlagert, so dass für die Hörer*innen am Ende eine wundersame Ungreifbarkeit herauskommt.“ (Johann Jahn)

„Für jede Bewegung und jeden Klang habe ich eine exakte Vorstellung. Es ist eine Musik, die die Kräfte der Natur, ihre Pulsationen, zu evozieren scheint. Es ist eine Musik der Empfindung und der Sinnlichkeit, die mit einem zarten Farbspektrum ausgestattet ist, aber eine intensive Ausdruckskraft besitzt.“ (Lisa Streich, interviewt von Marcus A. Woelfle)

Genauso intensiv-schaffend war Clemens Schuldt am Dirigierpult – es war eine Wonne, ihn aus dem Vollen dieser Zartheit schöpfen zu sehen, sein Händespiel, seine Gesten, seine pure Lust am Werk Lisa Streichs. Auch dem ganzen Orchester sah man diese Wonne an – ein Strahlen ging durch die Musiker*innen und durchs Publikum: „Oh wie toll! Das Stück gefällt mir richtig, richtig gut!“, raunte es durch die Reihen. Ein Werk also, das begeistert mit mehreren „Vorhängen“ aufgenommen wurde und problemlos im Kanon der Orchester bestehen kann.

MANTEL ist ein Auftragswerk des musica femina münchen e. V. für das Münchner Kammerorchester (UA 13. Dezember 2018) im Rahmen einer Zusammenarbeit des MKO mit mfm, gefördert vom Kulturreferat der Landeshauptstadt München. Das Auftragswerk von mfm ist mit 7.500 € dotiert. Die Jury für die Vergabe des Kompositionsauftrags setzte sich zusammen aus
* Sandra Dachsel, Abteilung Musik im Kulturreferat der Landeshauptstadt München
* Dr. Meret Forster, Musikwissenschaftlerin und Redaktionsleiterin bei BR-KLASSIK
* Florian Ganslmeier, Geschäftsführer des Münchner Kammerorchesters
* Hildegard Schön, Dirigentin, Mitglied des Vereins musica femina münchen
* Clemens Schuldt, Chefdirigent des Münchener Kammerorchesters

Das Konzert wird zum Nachhören am Donnerstag, 20. Dezember 2018 ab 20:05 Uhr im Programm BR-Klassik gesendet.

Bilder: © Susanne Wosnitzka

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