Rückblick – Erste Konferenz 2016
Anlass für die erste Konferenz von mfm im Januar 2016 war die Münchner Erstaufführung der Oper La liberazione di Rugiero dall’isola d’Alcina der italienischen Komponistin Francesca Caccini (1587– nach 1641). Das belgische Huelgas Ensemble unter der Leitung von Paul Van Nevel, eines der führenden Ensembles im Bereich Alter Musik und Originalklang, brachten diese – nach aktuellem Forschungsstand – erste Oper einer Frau im Herkulessaal der Residenz München konzertant und vollständig zur Aufführung. Ein „Meilenstein in der italienischen Musik der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts“ so Paul Van Nevel.
Am Tag vor der Opernaufführung veranstaltete mfm in Kooperation mit dem Archiv Frau und Musik eine Konferenz mit dem Titel Und sie komponieren, dirigieren doch! Warum gibt es nach wie vor so wenige Komponistinnen und Dirigentinnen im Konzertbetrieb?
Zunächst ging es um eine Bestandsaufnahme: Wo stehen wir heute? Mit Fachreferaten zur Medienlandschaft, zur Sichtbarkeit von Komponistinnen im Internet, Netzwerkgesprächen und einem Podiumsgespräch mit einer Expert*innenrunde galt es, den Ist-Stand zu analysieren. Beim Podiumsgespräch wurden Musikwissenschaftler*innen, unter ihnen Prof. Dr. Eva Rieger und Dr. Anke Steinbeck, die Komponistin Manuela Kerer, die Dirigentinnen Oksana Lyniv (damals Assistentin von Kirill Petrenko) und Mary Ellen Kitchens (Archiv Frau und Musik/Dirigentin) von Moderatorin Christine Lemke-Matwey (ZEIT-Redakteurin) zur Einschätzung der Situation gebeten.
Fazit der ersten Konferenz: Die infolge der Zweiten Frauenbewegung in Deutschland (sowie Europa, Amerika) einsetzenden Studien zum Thema Frauen in der Musik haben viele Kompositionen von Frauen ans Tageslicht gebracht. Dank zahlreicher Veröffentlichungen, Dissertationen, Konzerte, Tonaufnahmen und reger Öffentlichkeitsarbeit ist das Thema in Fachkreisen angekommen.
Ein Teilerfolg ist die Etablierung der Studiengänge Gender Studies mit konkreten Forschungsaufträgen an einigen Musikhochschulen und Universitäten in Deutschland. Noch aber ist nicht erreicht, dass Frauen in der Musik gleichberechtigt agieren können und wahrgenommen werden. Geschlechtergerechtigkeit für Komponistinnen, Dirigentinnen, Musikerinnen, Musikwissenschaftlerinnen, in leitenden Funktionen ist noch lange nicht erreicht. Zu selten werden Werke von Komponistinnen aufgeführt, in den großen Häusern fast gar nicht. Attraktive Kompositionsaufträge erhalten in erster Linie ihre männlichen Kollegen. Drei Dirigentinnen an der Spitze renommierter Orchester sind zu wenig.
„Es hat sich viel getan“, resümierte Prof. Dr. Eva Rieger, „aber wir haben das Ziel absoluter Gleichberechtigung noch nicht erreicht – das Glas ist halb voll bzw. halb leer.“
(Text: Dr. Ulrike Keil)