Briefpatenschaft Ethel Smyth 2014

Ethel Smyths Leipziger Briefe

Ethel Smyth als junge Frau. Kreidezeichnung von John Singer Sargent, 1901. Bild: © gemeinfrei nach commons.wikimedia.org.

Ethel Smyth als junge Frau. Kreidezeichnung von John Singer Sargent, 1901. Bild: © allgemeinfrei (wiki commons).

Zum 70. Todestag der britischen Komponistin Ethel Smyth (1858–1944) im Jahr 2014 konnte die Leipziger Hochschule für Musik und Theater durch eine Patenschaftsaktion 57 Briefe, die diese während ihrer Zeit als erste weibliche Kompositionsstudierende in Leipzig (1877–1882) an ihre Mutter gerichtet hatte, erwerben. Entgegen dem Vater unterstützte Mutter Nina die Wünsche, Ideen und Bestrebungen ihrer Tochter bedingungslos, was für Ethel Smyth gerade in ihrer Zeit im Ausland von höchster Wichtigkeit war. Diese Briefe wurden von einem Londoner Auktionshaus angeboten; sie sind herausragende Zeugnisse auch des Alltagslebens der jungen, ehrgeizigen Komponistin. Die HfMT Leipzig plant eine wissenschaftliche Edition der Briefe.

mfm beteiligte sich an dieser Patenschafts-Aktion und erwarb Brief Nr. 23 vom 16. März 1878, in dem sie über ihre Erfahrungen mit den Deutschen, von ihrer großen Angst vor Zahnärzten und von der unglaublichen Anstrengung, ihr erstes Streichquartett zu schreiben:

Einer der Leipziger Briefe Ethel Smyths. Mit freundlicher Erlaubnis © HfMT Leipzig.

Einer der Leipziger Briefe Ethel Smyths. Mit freundlicher Erlaubnis © HfMT Leipzig.

„My own darling mother, … I get such a nice room with the Schlaf-Kammer at lacked to it – and the whole régime will be much pleasanter – I see, from the general air of the people … the whole thing is what me germans [sic] call a liederliche Wirthschaft – meal unactual – often too much salt in the bouillon … Being much troubled with the tooth ache – lately I at lenght made up my mind to got to the dentist – for the first time since last I saw Mr. Pratt! He is an American much renowned at my tooth – said the slopping was loose & decay at work – but he said, I see the nerve is still alive – He took the slopping out – & put in some stuff to kill the nerve – instead of burning it out & pulling it out, or scraping it out … as we do in England. … Now that the spring is here how I look forward to being at home! Coming back will be quite unlike anything else I ever experienced – and the most heavenly thing I have done in my life as yet – except perhaps when I began to know I Hadn’t come here in vain. May you never have anything so fearfully puzzling & confusing to do as writing your first string quartette [sic] mother darling! My hair is growing grey over it! It will be finished before I come home – & in the meantime do look up 4 performers & we’ll have a grand chamber music performance in the drawing room!“

Erstmals übertragen und veröffentlicht von Mary Ellen Kitchens und Susanne Wosnitzka, erstmals abgedruckt in: Internationaler Arbeitskreis Frau und Musik e. V./Archiv Frau und Musik (Hg.): Ethel Smyths Leipziger Briefe, VivaVoce, Nr. 99, Winter 2014, S. 6–7.

mfm-nahestehende Personen und Institutionen konnten ebenfalls weitere Briefe erwerben:

  • Susanne Wosnitzka (mfm-Vorstand), Brief Nr. 12, 26. Oktober 1877: Ethel Smyth berichtet über ihren ersten Kontakt mit der Schauspielerin und Sängerin Marie Geistinger (1836–1903), in die sie sich verliebt hatte und der sie eine Klaviersonate widmete. Marie Geistinger hatte mehrere Gastspiele in Leipzig und war später Chefin des Theaters an der Wien.
  • Archiv Frau und Musik Frankfurt/Main, Brief Nr. 17, Weihnachten 1877: Ethel Smyth beschreibt ihre Arbeit an der Marie Geistinger gewidmeten Sonate und berichtet über ein gemeinsames Quartettsingen am Abend. Wenn die Weihnachtszeit vorüber sei, werde sie sich wieder mit neuer Begeisterung ihrer Arbeit widmen.
  • Regenbogenchor München, Brief Nr. 54, 13. Februar 1887: Ethel Smyth beschreibt hier ihre Dankbarkeit darüber, dass ihre Mutter ihre Verpflichtung gegenüber der Musik („the tie of my life“) wie eine Art Ehe („marriage tie“) akzeptiert. Die Mutter würde daher selbstlos akzeptieren, dass ihre Tochter unverheiratet blieb. Ethel Smyth war zudem lesbisch veranlagt – sie wollte schlicht nicht heiraten.