Sonntag, 26. Februar 2023, 12 Uhr, Astrid-Lindgren-Bühne, FEZ Berlin
PRESSEMELDUNG: Das Frauenorchesterprojekt auf großer Bühne im FEZ
Frauen spielen Musik von Frauen. Das ist die Idee des Frauenorchesterprojekts, das sich alljährlich an einem Wochenende in Berlin trifft, um die noch immer selten gespielten und gehörten Werke von Komponistinnen zum Klingen zu bringen.
Das Resultat dieser Arbeitsphase präsentiert das Orchester mit Musikerinnen aus ganz Deutschland allen Geschlechtern bei freiem Eintritt in einem Werkstattkonzert am Sonntag, den 26. Februar 2023, um 12 Uhr auf der Astrid-Lindgren-Bühne im FEZ, wo auch die Landesmusikakademie Berlin beheimatet ist. Dieses Jahr stehen unter der Leitung von Mary Ellen Kitchens Orchesterstücke von Alice Mary Smith, Henriëtte Bosmans, Florence Price, Barbara Heller und Dorothee Eberhardt auf dem Programm.
Neugier, Entdeckerinnengeist und auch das soziale Miteinander machen das Frauenorchesterprojekt (FOP), das seit 2007 immer wieder aufs Neue hörenswerte Orchesterwerke von Komponistinnen zutage fördert, zu einem beliebten Treffpunkt für Musikerinnen, die abseits des gängigen Repertoires auf der Suche nach oft unerhörten Klangwelten sind. Dabei demonstriert die historische und stilistische Breite der Werke, die bereits im FOP erarbeitet wurden, die vielfältige musikalische Sprache von komponierenden Frauen.
Wesentlich ist dem Planungsteam um die musikalische Leiterin Mary Ellen Kitchens auch Diversität in der Stückauswahl. So umfasst das Spektrum in der diesjährigen Arbeitsphase die Symphonische Dichtung Ethiopia’s Shadow in America der Woman of Color Florence Price, die Ouvertüre zu The Masque of Pandora der aus gutbürgerlichen Verhältnissen stammenden Engländerin Alice Mary Smith und das Melodram Belsazar der niederländischen Pianistin und Komponistin Henriëtte Bosmans, die als sog. „Halb-Jüdin“ im Zweiten Weltkrieg um ihr Überleben kämpfen musste. Hinzu gesellt sich mit Lalai. Schlaflied zum Wachwerden? von Barbara Heller eine musikalische Solidaritätsbekundung mit den Frauen, die 1989 während des Chomenei-Regimes im Iran einen gewaltsamen Tod fanden.
In Dorothee Eberhardts Luminoso sind es sorgfältig konstruierte Rhythmen und Gemälde von William Turner, die den Grundgedanken dieses dreisätzigen Werks bilden. Das Frauenorchesterprojekt präsentiert das Resultat seiner diesjährigen Arbeitsphase als großes Sinfonieorchester mit rund 75 Musikerinnen in einem Werkstattkonzert am Sonntag, den 26. Februar 2023, um 12 Uhr auf der Astrid-Lindgren Bühne im FEZ in Berlin-Köpenick. Der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen.
Kurzmeldung – Kalenderangabe zum Werkstattkonzert
Sonntag, 26. Februar 2023, 12 Uhr, Astrid-Lindgren-Bühne im FEZ, Straße zum FEZ 2, 12459 Berlin
Werkstattpräsentation des Frauenorchesterprojekt 2023
Orchesterwerke von Alice Mary Smith (1839–1884), Henriëtte Bosmans (1895–1952), Florence Price (1887–1953), Barbara Heller (geb. 1936) und Dorothee Eberhardt (geb. 1952)
Frauenorchesterprojekt Berlin 2023 | Merlind Pohl, Mezzosopran | Mary Ellen Kitchens, Musikalische Leitung
Eintritt frei – Weitere Informationen unter: www.frauenorchester.de
Kurztexte zu den Werken
Als Pionierin darf Florence Price gelten, deren Symphonie Nr. 1 durch das Chicago Symphony Orchestra die erste Aufführung eines Werks einer Komponistin mit afro-amerikanischen Wurzeln durch ein großes, nationales Sinfonieorchester markiert. Das FOP widmet sich ihrer Symphonischen Dichtung Ethiopia’s Shadow in America, die in einer Mischung aus Spiritual-Anklängen und Kunstmusik des 19. Jahrhunderts die Geschichte von versklavten Menschen aus Afrika in Amerika erzählt.
Aus gutbürgerlichen Verhältnissen stammte Alice Mary Smith, die mit gerade einmal 24 Jahren und ihrem Sinfonie-Erstling Geschichte schrieb: Ihre c-Moll-Sinfonie war es, die als erste Sinfonie einer Frau öffentlich in England gespielt wurde. Mit ihrer Ouvertüre zu The Masque of Pandora erklingt ein in seinen Kontrasten von dramatischen und lyrischen Passagen spannungsgeladenes Werk, das sich zusätzlich durch seine sensible Instrumentierung auszeichnet.
Bemerkenswert ist die Geschichte der niederländischen Komponistin und Pianistin Henriëtte Bosmans, die als sog. „Halb-Jüdin“ während des Zweiten Weltkriegs in ständiger Angst leben musste und sich mit geheimen Konzerten finanziell über Wasser hielt. Ihr Melodram Belsazar nach der Ballade von Heinrich Heine ist auch für das FOP ein Novum, das sich neben reinen Instrumentalwerken nun auch einem Werk mit Gesang widmet. In der Tonsprache im 19. Jh. verwurzelt, deutet Bosmans den Text in einer feinen Balance zwischen Stimme und Orchester lebendig aus.
Barbara Hellers Lalai entstand in einer Fassung für Violine und Klavier zwar bereits im Jahr 1989, doch verbindet sich die Widmung des Stücks mit den aktuellen Ereignissen im Iran, denn die Komponistin hat es all denen Frauen zugedacht, „die aus politischen Gründen in islamischen Gefängnissen festgehalten werden, all denen, deren Leben noch bedroht ist.“ Dazu zählen auch die 50 iranischen Frauen, die unter
der streng religiösen Herrschaft des Ayatollah Chomeini im Frühjahr 1989 gewaltsam den Tod fanden. Für sie schrieb Barbara Heller angelehnt an das Widerstandslied Lalai ihr Schlaflied zum Wachwerden?.
Die Vorlage aus dem Jahr 1973, die sich gegen den zu dieser Zeit herrschenden Schah – den zwar westlich orientierten, jedoch absolutistischen Vorgänger des Ayatollah – richtete, hat ihren Ursprung in Teheran und entstammt einer Gruppe Intellektueller, die unter dem Schah-Regime ermordet wurde. Darin singt eine Mutter ihrem Kind ein Schlaflied, das vom Schicksal seines Vaters erzählt. Barbara Heller diente das Lied als Inspiration für verschiedenste Besetzungen, wobei Tina Ternes die Orchesterfassung schuf. Die in ihrer Schlichtheit ergreifende Volksmelodie verbindet sich mit bedrohlich-energischen Ausrufen zu einem bedrückend-emotionalen Plädoyer für Frieden und Freiheit.
Prägend für Dorothee Eberhardts Werke ist einerseits die kontinuierliche Weiterentwicklung ihrer musikalischen Sprache und andererseits ein konstantes Spiel mit Rhythmik in vielfältigen Formen. Der Titel des großangelegten Orchesterstücks Luminoso („Leuchtend“) bezieht sich auf den 1. Satz, der von Gemälden William Turners inspiriert ist, und hier insbesondere auf den leuchtenden Klang des symphonischen Gongs, der zu Beginn des Satzes zu hören ist. Im Rahmen des FOP 2020 erlebte bereits der 3. Satz unter der Leitung von Melissa Panlasigui seine öffentliche Premiere.
Pressetexte: Daniel Ernst
Plakat: Michael Hempel